Die Geschichte der Unitas Rhenania
Gründung zu Beginn des Jahres 1912
Der “katholische theologische Studentenverein Unitas-Carolingia” wurde inoffiziell am 24. Januar 1912 gegründet; an der Gründungskneipe nahmen Unitas-Salia und Unitas-Sigfridia mit ihren vollständigen Aktivitates teil.
Die offizielle Gründung erfolgte später am 24. April 1912 im Rahmen eines Publikationsfestes. Die Gründer waren Theologiestudenten an den beiden Konvikten (Collegium Abertinum und Collegium Leoninum) in Bonn. Die Aktivitas wuchs schnell auf ca. 20 Mitglieder an; bereits bei der Publikationsfeier konnten 7 neue Füchse rezipiert werden. Die besonderen Eigenheiten des Konviktslebens – um 19.30 war “Zapfenstreich” – erschwerten den angehenden Theologen die Teilnahme am üblichen Verbindungsleben.
Mit den beiden übrigen Bonner Unitas-Vereinen einigte man sich, daß die in den theologischen Konvikten lebenden Bundesbrüder der Bonner Unitas in die Carolingia eintreten sollten und ein Übertritt von der Carolingia in einen anderen Unitas-Verein zu erfolgen hatte, falls ein Mitglied die Fakultät wechseln sollte. Sowohl von der Konviktsleitung als auch von den Gremien der Universität hatte man sich zuvor die entsprechenden Genehmigungen und Bestätigungen eingeholt. Jedoch wurde Unitas-Carolingia aufgrund der Situation am Konvikt nicht der offizielle Status einer “Studentenverbindung” zuerkannt, sondern sie konnte sich lediglich als sogenanntes “Kränzchen” am Konvikt etablieren. Daher konnte Unitas-Carolingia zum Unitas-Verband formell nur in ein Verhältnis als “Befreundeter Verein” treten; dieses Verhältnis wurde durch die 53. Generalversammlung 1912 in Paderborn bestätigt.
Dennoch engagierten sich die Aktiven sehr stark auch auf Verbandsebene entgegen der ursprünglichen Weisungen seitens des Konviktes. Dieses wurde Unitas-Carolingia zum Verhängnis und es kam in der Folge zu Schwierigkeiten mit der Konviktsleitung. Dem Ansinnen, die Verbindung zum Unitas-Verband zu lösen, kamen die Bundesbrüder nicht nach, was letztendlich zu einem Verbot des Namens Unitas am Konvikt führte. Daraufhin löste sich Unitas-Carolingia im Februar 1914 selbst auf.
Der Neubeginn nach dem ersten Weltkrieg 1919
Während des Ersten Weltkrieges herrschte ein Mangel an Studenten, der sich auch für die studentischen Verbindungen sehr schmerzlich bemerkbar machte. Die jungen Männer wurden unmittelbar nach der Reifeprüfung, spätestens aber nach einem oder zwei Studiensemestern eingezogen.
Nach dem Waffenstillstand erlebten die Universitäten einen enormen Zustrom an Studenten; vornehmlich handelte es sich um Kriegsteilnehmer, die jetzt ihr Studium aufnehmen bzw. fortsetzen konnten. Auf zahlreichen Bildern jener Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg sieht man aktive Bundesbrüder, welche stolz ihre Kriegsorden tragen. Die beiden bis dahin bestehenden Bonner Unitas-Vereine überstiegen eine überschaubare Größe, weshalb man sich in Bonn Gedanken über eine Neugründung machte. Insbesondere die Mitglieder der suspendierten Unitas-Carolingia machten sich für diese Überlegung stark. Jedoch verzichtete man bewußt auf den Namen Carolingia und nannte den neuen Verein Unitas-Rhenania. Vor allem Unitas-Salia forcierte diese Wiedergründung, während Unitas-Sigfridia sich diesbezüglich sehr zurückhaltend zeigte. Unitas-Sigfridia stimmte der Neugründung schließlich nur unter der Bedingung zu, daß Unitas-Rhenania auf keinen Fall vor Unitas-Sigfridia ein eigenes Haus erwerben dürfe.
Daraufhin erfolgte im April 1919 die Gründung des W.K.St.V. Unitas-Rhenania.
Am 8. September 1919 wurde der “Verein Haus Unitas-Rhenania Bonn e.V.” gegründet und bereits am 11. Februar 1920 konnte das Haus in der Ermekeilstraße erworben werden. Auch hier stand wiederum der inzwischen zum Professor ernannte Bundesbruder Wilhelm Neuß an der Wiege der Unitas-Rhenania.
Er sollte die Korporation vor allem während der NS-Zeit prägen, wie keine andere Persönlichkeit. Er bekleidete über viele Jahrzehnte das Amt des Ehrenseniors und stand regelmäßig als Referent bei wissenschaftlichen Vorträgen zur Verfügung. Die Aktivitas bestand vor allem aus Medizinern, Theologen, Landwirten und Geodäten. Die Angehörigen der Landwirtschaftlichen Fakultät waren vielen anderen Verbindungen “nicht fein genug”, weshalb besonders die Unitas-Rhenania, welcher solcher Dünkel stets fremd war, sehr viele Mitglieder aus diesen Fachrichtungen aufnahm und bis heute nicht unwesentlich von ihnen geprägt wurde.
Einem anfänglichen raschen Aufstieg folgte dann bald eine Phase zurückgehender Neuaufnahmen im Zuge sinkender Studentenzahlen an den Universitäten. Dieses Phänomen war im gesamten Unitas-Verband spürbar. Manche Vereine glaubten, ihre Attraktivität durch das Anlegen von Couleur steigern zu können. Dieses führte im Unitas-Verband 1923/24 zum sogenannten Farbenstreit, in dessen Verlauf einige Unitas-Vereine, darunter auch die Bonner Unitas-Sigfridia, den Verband verließen, weil der Grundsatz des Nichttragens von Farben keine Ausnahmen zuließ. Auch Unitas-Rhenania hatte bereits einen entsprechenden Beschluß gefaßt, nämlich auf legalem Wege vom Unitas-Verband die Genehmigung zum Anlegen von Farben zu erlangen, diesen dann jedoch nach einer Zusage seitens des Verbandes, uns zu unterstützen, wieder zurückgezogen. Von dieser Zeit an nahm der Verein einen stetigen Aufstieg und erreichte ein Maximum an aktiven Mitgliedern zu Beginn der 30er Jahre.
Die Zeit bis zum Verbot 1938
n der deutschen Gesellschaft, insbesondere unter den Studenten, breitete sich infolge des verlorenen Weltkrieges und den aus dieser Niederlage resultierenden Folgen eine fatale Ideologie aus. Die “Deutsche Studentenschaft” war seit Mitte der 20er Jahre fest in der Hand sogenannter völkischer Gruppen, zu welchen man auch die NSDAP zählen kann. Daher trat der Unitas-Verband 1928 konsequent aus der D.St. aus, welche kurze Zeit später auch zeitweilig aufgelöst wurde. Nachdem Hitler ab 1932 ernsthaft die Macht anstrebte und diese 1933 an sich reißen konnte, begann vor allem für die nicht-schlagenden Verbände eine harte Zeit. Sofern nicht ein sofortiges Verbot ausgesprochen wurde, mußten sie sich “gleichschalten” um dem drohenden Verbot zu entgehen. Diese Gleichschaltung bedeutete, sich einer NS-Organisation anzuschließen, zumindest aber den organisatorischen Strukturen der NS-Organisationen anzupassen, wozu auch die Einführung des “Führerprinzipes” zählte. Im Zuge der von den neuen Machthabern geplanten “Entkonfessionalisierung” der deutschen Gesellschaft mußten die katholischen Verbände auch das Katholizitätsprinzip aufgeben. Von Seiten des Staates wurde man – auch gegenüber entsprechender Eingaben seitens des Hl. Stuhles – nicht müde, die “Freiwilligkeit” dieses Schrittes zu betonen. Ein weiterer Stein, welchen man den Verbänden in den Weg legte, war das Verbot der Doppelmitgliedschaft, d.h. man durfte nicht gleichzeitig Mitglied einer NS-Organisation (was vielfach der Schlüssel zu einer beruflichen Karriere war) und einer anderen, z.B. konfessionellen Vereinigung sein. Jeder neu immatrikulierte Student wurde bei der Immatrikulation von einem Uniformierten des NSDStB befragt, ob er nicht dem NS-Studentenbund beitreten wolle und wenn die Antwort “Nein” lautete, wurde nach den Gründen gefragt. Diese Herren hatten soviel Macht, daß man bei unüberlegten Äußerungen die sofortige Exmatrikulation riskierte. Wer nicht beitrat, mußte sich schon intelligente Ausflüchte einfallen lassen, denn mit heroischen Erklärungen hätte man seine geplante studentische Laufbahn schnell beendet. Im Jahr 1934 wurde ein großangelegter Propagandafeldzug “gegen Muckerer und Miesmacher” inszeniert, in welchen auch die HJ eingespannt wurde. Vor den Verbindungshäusern und in der Stadt wurden hetzerische Flugblätter wenig intelligenten Inhaltes verteilt. Ein Kesseltreiben gegen die noch nicht dem NSDStB beigetretenen Verbände setzte ein, als während des sog. “Heidelberger Spargelessens” des Corps Saxo-Borussia im Sommersemester 1935 eine abfällige Biermimik auf Hitler vorgetragen wurde. Es ging um die Frage, ob und wie er Spargel verzehrt.
Man wurde sich einig: “Er frißt ihn quer …”
Überhaupt überflutete das Regime die Nation mit Hetzschriften, vor allem im Sinne einer antichristlichen und antikirchlichen Propaganda. Als das übelste Machwerk in dieser Richtung darf wohl Alfred Rosenbergs “Mythus des XX. Jahrhunderts” angesehen werden. Weil diese Schrift zur Pflichtlektüre in den obligatorischen politischen Schulungskursen wurde, zog das Opus die Aufmerksamkeit katholischer Kreise auf sich, nachdem man ihm lange Zeit nicht die Ehre erwiesen hatte, es zu beachten. In den Jahren 1934/35 erschienen mehrere Auflagen einer Gegenschrift, in welcher die haltlosen Irrtümer Rosenbergs dargelegt wurden. Unter dem wenig verfänglichen Titel “Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts” erschien das Werk als Beilage zu den amtlichen Anzeigern sämtlicher deutscher Diözesen. Die beiden Alten Herren der Unitas-Rhenania Prof. Dr. Wilhelm Neuß sowie Prof. Dr. Werner Schöllgen lieferten wesentliche Beiträge zu diesem sogenannten “Antimythus” in Fragen der Kirchengeschichte und Moraltheologie. Trotz sofort eingeleiteter Recherchen gelang es anfangs den Machthabern nicht, die Namen der Autoren ausfindig zu machen, was Rosenberg veranlaßte, eine Broschüre unter dem Titel “An die Dunkelmänner unserer Zeit” herauszugeben, in welcher er alte Irrtümer wiederholte und neue hinzufügte. Im Jahre 1934 fanden auf dem Rhenanenhaus zwei Veranstaltungen statt, welche als öffentliche Veranstaltungen ausgeschrieben waren. Bbr. Neuß leitete Buchbesprechungen über die “Studien”. In der Verbandszeitschrift wurden die Termine kurz im abgedruckten Semesterbericht der Rhenania erwähnt, zu einer offiziellen Buchbesprechung im Rahmen der Verbandszeitschrift fehlte allerdings aus begreiflichen Gründen der Mut.
Trotz dieser vielfältigen Schwierigkeiten beschloß man auf alle Fälle weiterzumachen, wenn auch in verdeckter Form”, so Bbr. Dr. Walter Küsgens, der letzte Consenior vor dem Verbot, in seinen “Erinnerungen” aus dem Jahr 1985. Den Hausbauverein hatte man unter dem Eindruck zunehmender Repressalien gegen die katholischen Verbände bereits am 4. März 1934 umbenannt, indem ihm den unverdächtigen Namen “Haus Unio Academica” gegeben und so vom Unitas-Verband abgelenkt hatte. Viel genutzt hatte dieses Tarnmanöver allerdings nicht. Am 20. Juni 1938 wurden sämtliche noch verbliebenen Studentenverbände sowie die angeschlossenen Verbindungen und Altherrenvereine per Runderlaß des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei verboten. Das nachstehend aufgeführte Dokument ist auch ein Beweis für die Unwissenheit der Geheimen Staatspolizei und ihres Chefs (Heinrich Himmler), denn schon 1934 hatten wir uns ja “freiwillig” umbenannt in “Verband der Wissenschaftlichen Christlichen Studentenvereine Unitas”… Die Verbindungshäuser wurden beschlagnahmt, die Korporationsräume wurden durchsucht und versiegelt. Man hatte unmittelbar vorher geahnt, daß eine Aktion bevorstünde und daher sämtliche Gegenstände von Wert (Fahne, Wichs) in Sicherheit gebracht; die Mitgliederkartei wurde sicherheitshalber verbrannt. Die Fahne hat den Krieg überstanden und befindet sich jetzt wieder im Kneipsaal. Die Gestapo-Beamten, welche das Haus durchsuchten, werden gewiß nicht schlecht gestaunt haben, als sie auf einer alten Photographie in einem Gruppenbild ihren Propagandaminister wiederfanden. Er war 1917, also zu einer Zeit als Studenten Mangelware darstellten, in die Unitas-Sigfridia rezipiert worden. Nach zweimaligem kurzfristigem und eiligem Wechsel des Studienortes (Freiburg und Würzburg), trat er 1919 aus der Unitas aus. Er war damit einer bevorstehenden Demission wegen verbandsschädigenden Verhaltens (G. war auf einem Volksfest im Westerwald im Vollwichs aufgetreten, was in Bonn ruchbar wurde) zuvorgekommen. Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, daß Joseph Goebbels sich der Verantwortung für sein Tun durch Flucht entzog … Auch die gleichgeschaltete Presse berichtete wenige Tage später über das Verbot, nachdem die Gestapo in aller Ruhe ihre Maßnahmen ergriffen hatte. Diesen Artikel konnte man in allen deutschen Tageszeitungen mit dem selben Wortlaut lesen: vgl. Eintrag Wikipedia
Das Verbot bedeutete nicht das endgültige Aus. Noch bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden neue Mitglieder rezipiert und es fanden regelmäßige Veranstaltungen sowie Chargenwahlen an neutralem Ort statt. Vielfach stellten Alte Herren ihre Wohnungen hierfür zur Verfügung. Am 9. Juli 1940 wurde durch Erlaß des Reichsinnenministeriums die “Staats- und Reichsfeindlichkeit” des Vereins Unitas-Rhenania festgestellt. Auf dieser Grundlage wurde am 12. November 1941 die Enteignung per Verfügung des Kölner Regierungspräsidenten angeordnet. Am 12. Juli 1943 erfolgte die Eintragung des Deutschen Reiches als Eigentümer des Hauses im Grundbuch. Die beiden diesbezüglichen Dokumente seien hier als weiteres Beispiel für die hinlänglich bekannte Verkommenheit des NS-Systems präsentiert. Man beachte die Streichungen in dem Formular, welches das Finanzamt für das Schreiben vom 14.05.1943 benutzte.
Am 7. Januar 1944 wurde das Mobiliar, welches in den bis dahin versiegelten Korporationsräumen sich befand nach öffentlicher Bekanntmachung versteigert. Den Erlös von 884,16 RM strich das Finanzamt Bonn ein, dem seit der Enteignung die Verwertung der Immobilie übertragen worden war.
Unmittelbar nach dem Krieg diente das Rhenanenhaus für drei Jahre den in der gegenüberliegenden Kaserne stationierten belgischen Besatzungstruppen als Offizierskasino.
Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg
Wegen des Verbotes durch die NS-Machthaber und der nachweisbaren Opposition zum NS-System konnten sich die katholischen Studentenverbindungen nach dem Krieg ohne große Schwierigkeiten als die ersten studentischen Korporationen rekonstituieren. 1947 wurde als zweiter Bonner Unitas-Verein die St.-Albertus-Magnus Hochschulgruppe gegründet, welche die Tradition der Unitas-Rhenania fortsetzte und 1949 den alten Namen wieder annahm. Da es sich bei den ersten studentischen Mitgliedern überwiegend um Kriegsheimkehrer – diesmal ais dem II. Weltkrieg – handelte, standen die Aktiven traditionellen Formen wie z.B. Chargieren und Tragen des Bierzipfels skeptisch bis ablehnend gegenüber. Zunächst wurden daher sogenannte neustudentische Formen gepflegt, indem man sich sehr stark sozial engagierte. Man unterstützte aktiv die Bahnhofsmission in Bonn. Seit den 50er Jahren fand eine Rückbesinnung auf die altstudentische Tradition der Unitas-Rhenania statt, welche bis auf den heutigen Tag gepflegt wird.
Neben der Gründung einer neuen Aktivitas mußte nunmehr auch die Altherrenschaft sich neu formieren. Nachdem man seit fast 10 Jahren den Kontakt untereinander verloren hatte, nahm Bbr. Wilhelm Solbach sich der Aufgabe an, die infolge der Kriegswirren in alle Winde zerstreuten Bundesbrüder zu sammeln. Im Vereinsarchiv befinden sich noch einige Briefumschläge, welchen man die Spuren ihrer Odyssee ansieht, bis sie schließlich doch mit dem Vermerk “unbekannt verzogen” zurückkamen.
Nach dem Ende des Krieges sowie der Räumung des Rhenanenhauses durch die Besatzer stellte sich erneut die Hausfrage. Unmittelbar nach dem Krieg diente das Rhenanenhaus für drei Jahre den in der gegenüberliegenden Kaserne stationierten belgischen Besatzungstruppen als Offizierskasino. Die alliierten Streitkräfte hatten direkt nach dem Ende der Kampfhandlungen den gesamten Häuserblock der Straßenzüge Bonner Talweg – Ermekeilstraße – Goebenstraße – Weberstraße beschlagnahmt und die Bewohner gezwungen, binnen weniger Minuten unter Zurücklassung des Hausrates (von dem die Bewohner in der Regel nach ihrer Rückkehr nichts mehr vorfanden) ihre Wohnungen zu verlassen. Angesichts des Wohnungsmangels infolge der Kriegszerstörungen und der Flüchtlingsströme war dies für die Betroffenen katastrophal. Erst 1948 wurden die beschlagnahmten Häuser wieder freigegeben.
Noch war das Deutsche Reich als Eigentümer des Rhenanenhauses eingetragen und das Haus an insgesamt drei Familien vermietet, darunter an die Tochter des Vorkriegshausmeisters. Lediglich für die zweite Etage mit dem Kneipsaal sowie zwei kleinen Studentenbuden konnte sich die Unitas ein Nutzungsrecht erkämpfen. In der irrigen Annahme, die Stadt Bonn sei für die Rückerstattung zuständig, verstrich wertvolle Zeit. Im Zuge dieser Bemühungen um die Rückübereignung wurde bekannt, daß man es während des “Dritten Reiches” aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen versäumt hatte, den Verein “Unio Academica” aus dem Vereinsregister zu löschen. Dieses wäre jedoch beinahe 1949 geschehen, als ein besonders eifriger Mitarbeiter des Ordnungsamtes das Vereinsregister nach NS-Organisationen durchsuchte. Aus der Tatsache, daß der Verein nicht gelöscht worden war, schloß dieser wackere Beamte, daß es sich bei uns also nur um einen Verein im Dunstkreis des Nationalsozialismus handeln konnte und beantragte beim Amtsgericht die Löschung aus dem Vereinsregister. Der mit dieser Entscheidung betraute Justizbeamte wies jedoch einerseits auf die satzungsmäßigen Ziele, andererseits auf die Tatsache der massiven Beschränkungen während der nationalsozialistischen Herrschaft hin und begründete damit die Ablehnung des Löschungsantrages. Dieser Umstand dürfte innerhalb des Unitas-Verbandes einmalig sein, da ansonsten alle Vereine mit dem Hinweis auf die festgestellte “Staats- und Reichsfeindlichkeit” von den Nationalsozialisten aufgelöst und gelöscht worden waren.
Schließlich wurde Bbr. Landgerichtsdirektor a.D. Dr. Hermann Pomp, der die Rückerstattung des Hauses der Unitas-Salia in der Luisenstraße auf Hochtouren betrieb, gebeten, sich auch unserer Sache anzunehmen. Da sich die Rückerstattung des Hauses in der Luisenstraße verzögerte, jedoch das Rhenanenhaus – zumindest die 2. Etage – zur Verfügung stand, fanden hier vorübergehend neben der Unitas-Rhenania auch Unitas-Salia, Unitas-Nibelung und später auch Unitas-Stolzenfels eine Heimstatt für ihre Veranstaltungen bis 1955. Ein zu diesem Zweck von den vier Korporationen gegründeter Verein “Haus Unitas Bonn e.V.” verwaltete die uns überlassenen Räumlichkeiten auf dem Rhenanenhaus. Auf mehreren alten Photographien im Archiv der Unitas-Stolzenfels kann man eindeutig den Rhenanenkneipsaal als Veranstaltungsort erkennen. Von ehemaligen Aktiven aller Bonner Korporationen werden diese gemeinsamen Jahre auf dem Rhenanenhaus als eine besonders schöne Zeit geschildert, auch wenn es infolge kleinlichen Verhaltens auf allen Seiten zu manchen Friktionen kam, über welche man heute beim Lesen der entsprechenden Korrespondenz nur schmunzeln kann. So drehte man der Unitas-Stolzenfels aufgrund deren Weigerung, sich in Höhe des vereinbarten Anteils an den laufenden Kosten zu beteiligen, kurzerhand die Sicherung heraus und ermöglichte ihr somit eine stimmungsvolle Kneipe bei Kerzenschein.
Nach zähen Verhandlungen und dem Abschluß von insgesamt drei Vergleichen, in welchen es vor allem um gegenseitige Forderungen ging, wurde schließlich der Verein Unio Academica als rechtmäßiger Eigentümer im Jahr 1955 erneut ins Grundbuch eingetragen, nachdem in zwei früheren Vergleichen (ab 1953) zunächst der Rechtsanspruch der Unio Academica abgesichert werden konnte. Während der Antragsgegner (das Deutsche Reich, vertreten durch die OFD Köln) die Ablösung der letzten Hypothek und übernahme von Schulden der Korporation anmeldete und RM-Beträge im Verhältnis 1:1 umgerechnet haben wollte, standen Forderungen des Alteigentümers für entgangene Nutzung, entzogenes Mobiliar und Besatzungsschäden gegenüber. Seit dem Abschluß eines dritten Vergleichs in dieser Angelegenheit, der mit erheblich günstigeren Konditionen verbunden war, als dies bei den vorangegangenen Vergleichen der Fall war, sind wir wieder uneingeschränkter Eigentümer der Immobilie, die nach nunmehr über 80 Jahren das dienstälteste Verbindungshaus innerhalb des Unitas-Verbandes darstellt.
In den Jahren nach der Wiedergründung konnte sich sehr schnell ein reges Vereinsleben entfalten, obwohl das Haus noch unter fremder Verwaltung stand und die letzten Mieter erst Mitte der 60er Jahre auszogen. Einen Höhepunkt des Jahres 1950 stellte der Staatsbesuch des seinerzeitigen französischen Außenministers Bbr. Dr. Robert Schuman dar, der es sich nicht nehmen ließ, auch die Senioren der vier damaligen Bonner Unitas-Vereine zu empfangen. Der seinerzeitige Senior der Unitas-Rhenania gab in einem Bericht im Rhenanenspiegel seine Eindrücke von dieser Begegnung wieder und hob hervor, daß wenige Tage nach diesem Staatsbesuch ein französischer Offizier im Namen des Außenministers den Bonner Unitas-Korporationen den für damalige Zeiten enormen Betrag von 1000 DM überbrachte. Im Jahr 1950/51 übernahm die gesamte Bonner Unitas den Vorort des Unitas-Verbandes; Unitas-Rhenania stellte mit Bbr. Hans Schlömer den Vorortspräsidenten und übernahm dadurch einen Großteil der Vorortsarbeit. Um die gemeinsamen Aktivitäten der Bonner Unitas-Vereine, wie z.B. Vereinsfeste, sportliche Veranstaltungen, Wissenschaftliche Sitzungen und Fuchsenstunden, besser koordinieren zu können, wurde das Amt des BUV-Seniors wiedereingeführt, welches turnusgemäß zwischen den Vereinen wechselt und seither alle drei bis vier Jahre von einem Rhenanen bekleidet wird.
von der Rückerstattung des Rhenanenhauses bis in die Gegenwart
Die Aktivitas erreichte im Laufe der 50er und frühen 60er Jahre Mitgliederzahlen, welche heute kaum vorstellbar sind. Diese Jahre waren geprägt von einem sehr feierlich begangenen Stiftungsfest, einem unbrauchbar gewordenen und aus dem Fenster geworfenen Klavier, welches erst nach dem dritten Fenstersturz restlos hinüber war und neuen Traditionen, welche bis heute fortgeführt werden. Eine dieser rhenanentypischen, oft kopierten und nie erreichten Traditionen ist die Jubelkneipe im November zu Ehren der Jubilare, welche in dem laufenden Kalenderjahr einen runden Geburtstag feiern oder aber als “Senioren der Rhenania” das 80. Lebensjahr überschritten haben. In einer Heiligen Messe vor der Jubelkneipe wird dabei der verstorbenen Bundesbrüder sowie deren Angehörigen in besonderer Weise gedacht. Die zweite traditionelle Veranstaltung geht auf einen Bundesbruder zurück, welcher als praktischer Landwirt auf die Idee kam, der Aktivitas ein Spanferkel zu spendieren. Seither sind jährlich am Abend vor Fronleichnam über 40 Spanferkel im schönen Rhenanengarten gegrillt, auf den Namen “Susi” getauft und anschließend in allen Ehren verspeist worden. Dieses “Spanferkelessen” ist das Familienfest der Unitas-Rhenania.
Das Jahr 1968 brachte für die Unitas-Rhenania wie auch für die meisten anderen studentischen Verbindungen eine schwere Zeit. Die Radikalisierung weiter Teile der Studentenschaft brachte diese in heftige Opposition zu den Studentenverbindungen. Hierbei wurden wahllos alle Verbindungen über einen Kamm geschoren. Das führte soweit, daß man in einem Artikel des AStA-Blattes “Akut” dem Unitas-Verband Rechtsextremismus unterstellte. Angesichts der eigenen leidvollen Geschichte während der NS-Zeit war dies eine bodenlose Frechheit. Insbesondere aus den Kreisen der Rhenania formierte sich Widerstand gegen die sogenannte 68er-Bewegung. Viele Alte Herren, unter denen insbesondere die BbrBbr. Dr. Eugen “Bobby” Simonis und Dr. Walter “Wakü” Küsgens zu nennen sind, hielten regelmäßigen Kontakt zur Aktivitas und gaben ihnen gegen die Strömung der Zeit Halt und Orientierung. Die Aktivitas war inzwischen auf eine kleine, aber sehr engagierte Gemeinschaft zusammengeschrumpft. Dieses Engagement ließ die Aktivitas jedoch diese schwere Zeit überstehen; seit Mitte der 70er Jahre nahmen die Mitgliederzahlen wieder zu und erreichten ein Maximum in den 80er Jahren mit durchschnittlich ca. 25 Aktiven. Daher konnte die Unitas-Rhenania in dieser Zeit zweimal den Vorort, d.h. den offiziellen Vorsitz des Unitas-Verbandes, übernehmen. Die Rhenania stellte den Vorort in den Amtsperioden 1980/81 mit dem Vorortspräsidenten Hermann-Josef Schlöder und 1986/87 mit dem VOP Jörg Volpers.
In jenen Jahren betätigte sich ein “guter Geist” auf dem Rhenanenhaus, den der Chronist nicht unerwähnt lassen möchte. Als man 1972 einen neuen Hausmeister suchte, fiel die Wahl auf Otto Linke, der bald mehr als nur Hausmeister und Fax war und sich als einmaliger Glücksfall für die Korporation erwies. Von 1972 bis zu seinem Tod 1999 war Otto, wie er bald von allen Bundesbrüdern der Rhenania und darüber hinaus genannt wurde, den Aktiven aller Generationen ein väterlicher Freund. Neben den rein technischen Belangen des Rhenanenhauses, um die er sich mit viel Sachverstand und handwerklichem Geschick kümmerte, hatte er auch immer ein wachsames Auge auf die Aktiven und sparte nicht mit deftiger Kritik, wenn einer der Herren Studiosi sein Studium zu sehr “schleifen” ließ. Ottos Grabstätte gehört der Unitas-Rhenania und wird von der Familie des Vorsitzenden unseres Altherrenvereins liebevoll gepflegt. Seither wurde kein neuer Hausmeister mehr eingestellt; die kleineren Reparatur- und Renovierungsarbeiten werden von Aktiven und Alten Herren gemeinsam durchgeführt.
Als man im Zuge sinkender Mitgliederzahlen den Fehler beging, bei der Aufnahme neuer Mitglieder weniger wählerisch vorzugehen, waren ernste Probleme geradezu vorprogrammiert. Die Schwierigkeiten zwischen Aktivitas und Altherrenschaft nahmen zu und mündeten in einem offenen Konflikt im Jahr 1997. Nachdem sieben Aktive, welche sich selbst in aller Bescheidenheit “Die Glorreichen Sieben” genannt hatten, unter massivem Druck aus dem Verein ausgetreten waren, normalisierte sich mit Hilfe der verbliebenen drei “Altaktiven” das Verhältnis zwischen Aktivitas und Altherrenschaft sofort. Nachdem insbesondere die Restaktivitas, aber auch engagierte Alte Herren gemeinsam die ärmel hochgekrempelt hatten, konnte die Unitas-Rhenania langsam, aber stetig aus diesem Tief herausmanövriert werden. Inzwischen ist eine neue Generation von Aktiven in die Unitas-Rhenania hineingewachsen, deren Mitgliederstärke von gegenwärtig rund 15 Bundesbrüdern zwar nicht an die Zahlen früherer Jahrzehnte heranreicht, dieses jedoch durch ein entsprechendes Engagement zu kompensieren vermag.
Auf der 126. Generalversammlung des Unitas-Verbandes in Mannheim erklärte sich daher Unitas-Rhenania bereit, zum vierten Mal in ihrer Geschichte für den Vorort zu kandidieren, obwohl einige mitgliederstarke Vereine hierfür eher prädestiniert gewesen wären. In einem kleinen Festakt auf dem Rhenanenhaus übernahm am 19. Juli 2003 der neue Vorortspräsident, Bbr. Martin Hinzmann, stellvertretend für die Unitas-Rhenania die Vorortsstandarte aus der Hand des Verbandsgeschäftsführers.
Im Jahr 2012 feierte die Unitas-Rhenania folglich ihr 100. Stiftungsfest, welches auf das Gründungsjahr 1912 zurückgeht. Das Jubiläum wurde gemeinsam mit allen Unitas Vereinen Bonns unter großer Beteiligung weiterer Vereine des Unitas-Verbandes sowie freudschaftlich verbundener Bonner Verbindungen begangen.
Seit 1949 dient der “Rhenanenspiegel”, von welchem bislang 115 Ausgaben erschienen sind, als Bindeglied zwischen Aktiven und Alten Herren. In dieser Vereinszeitung werden neben allerlei Berichten von Veranstaltungen auch Protokolle von Mitgliederversammlungen sowie Rechenschaftsberichte aus den Reihen der Aktivitas sowie der Altherrenschaft bekannt gemacht.